Reittherapie – Pferdegestützte Psychotherapie

 

 Das Pferd und sein Einsatz in der Psychotherapie

 

Wie der Hund begleitet das Pferd den Menschen seit Jahrtausenden, so dass neben seiner rein praktischen Verwendung eine tiefe symbolische Verbindung zwischen dem Pferd und dem Mensch entstanden ist.

 

Seine Bedeutung für die Menschheit hat sich zwar mit den kulturellen Gegebenheiten unserer Zivilisation verändert. Durch die Motorisierung des Menschen ist das Pferd heute kein reines Arbeitstier mehr. Seine Aufgaben haben sich verändert. Es findet seinen Einsatz in Sport und Freizeit und in zunehmendem Maße in der Pädagogik, der Physiotherapie und in der Psychotherapie.

 

Warum eignet sich das Pferd so gut für den Einsatz in der psychotherapeutischen Arbeit?

 

Pferde sind Herdentiere und deshalb mit einem sensiblen sozialen Sensorium ausgestattet. Sie reagieren auf feinste Signale des Körpers wie Körperhaltung, Gestik, Mimik und Melodie der Stimme und zwar nicht nur innerhalb ihrer Art, sondern auch gegenüber uns Menschen. Sie entsprechen sozusagen einem äußerst feinen, lebendigen „Biofeedbackgerät“ und spüren unsere jeweilige Stimmungslage. Anders als das Biofeedbackgerät treten sie jedoch mit uns in Beziehung.

 

Pferde können uns tragen, sowohl im körperlichen als auch im psychischen Sinne. Ihr Schritt ähnelt vom Takt her dem menschlichen Schritt. Wenn wir auf dem Pferd sitzen und uns entspannt diesem Rhythmus hingeben, ähnelt diese Bewegung sowohl dem intrauterinen Zustand des Embryos im Mutterleib als auch den beruhigenden Schaukelbewegungen, mit welchen die Eltern das Baby beruhigen. Je nach individuellem Lebensweg kann der oder die so Getragene über die Körpererinnerung positive Ressourcen aktivieren oder mögliche Defizite im Getragenwerden erleben und verarbeiten.

 

Über die vielfältige Arbeit mit und auf dem Pferd können Ressourcen erkannt und gefördert werden und psychische und körperliche Dysfunktionalität erlebt, verarbeitet und ausgeglichen werden.

 

Viele Menschen und vor allem Kinder haben heute, u.a. durch psychische Probleme und  durch die Überflutung mit Elektronik und Medien, den Zugang zu ihrer eigenen Körperlichkeit verloren.

 

 Warum ist der Zugang zu unserer Körperlichkeit so wichtig?

 

Unsere Gefühle drücken sich über den Körper aus. Weinen, Angst oder Wut wird über den Körper erlebt. Jedes Gefühl findet sein Echo im Körper. Jede Kränkung, jeder Stress und jedes Trauma führt zu einem Niederschlag im Körper, u.a. in Form von Muskelverkrampfungen und -erstarrungen, inneren Spannungen oder in Form von Übererregtheit. Dadurch können unerträgliche Gefühlszustände entstehen. Oft versuchen Menschen, diese durch Selbstverletzung zu beenden.

 

Wichtig ist auch, dass der Körper wie das Gehirn all diese mit Gefühlen verbundenen Erfahrungen abspeichert. Wir können uns auch über den Körper sozusagen an alte seelische und körperliche Verletzungen erinnern.

 

Wichtige Erkenntnisse über die Wechselwirkung zwischen Psyche und Körper hat die Trauma-Forschung erbracht. Heute spricht man in der Psychotherapie auch von „embodied Science“.

 

 

 

Für Eltern

 

Viele Eltern sind heute verunsichert und wissen nicht, wie sie ihren Kindern sichere Grenzen vermitteln können. Die Prügelstrafe ist Gott sei Dank abgeschafft , aber nun entsteht oft eine große Hilflosigkeit der Eltern gegenüber ihren Kindern.

 

Das wiederum beunruhigt die Kinder, so dass diese sich häufig in omnipotentes Verhalten flüchten. Sie verhalten sich wie Prinz und Prinzessin „Gernegroß“, und lassen sich nichts mehr sagen.

 

Hier kann das Leitstuten-/Leithengstprinzip oder das Leitwolf-/Leitwölfinnen-Prinzip helfen.

 

Das Leittier der Herde oder des Rudels trägt die Verantwortung für das Wohlergehen der Gruppe, weshalb es sich Respekt verschafft und dafür sorgt, dass seine Entscheidungen durchgesetzt werden. So kann sich jedes Mitglied der Gruppe geborgen und sicher fühlen. Es entsteht Halt und Zusammenhalt. Hier geht es nicht um Gehorsam und Unterdrückung, sondern um eine Lebensform, die jedem Mitglied Sicherheit gibt, damit es sich entfalten kann.

 

Dieses von natürlicher Autorität geprägte Leittierverhalten ist frei von Unterdrückung, Machtgier, psychischen Dysfunktionen oder Reinszenierungen von Verletzungen und Defiziten aus der Kindheit.

 

Genau dieser Halt fehlt heute vielen Kindern und führt zu vielfältigen Symptomen und psychischen Dysfunktionen.

 

Das Wort „Respekt“ geht eigentlich zurück auf „das Zurückblicken“, lat. respicere „zurückblicken, hinter sich schauen, Rücksicht nehmen".

 

Zu jemandem, der mir Sicherheit und Halt gibt, sehe ich gerne zurück!

 

Das bedeutet, dass sich die Respektsperson im Sinne eines Vorbildes selbst mit ihren Stärken und Schwächen auseinandersetzt und sich dadurch auch traut, ihre Aufgabe als Leitmensch auszufüllen. Hier kann die Arbeit mit dem Pferd eine wertvolle Hilfe sein.

 

 

 

Familie und Pferd

 

Durch die Arbeit mit der gesamten Familie am Pferd und mit dem Pferd können sich Beziehungskonflikte deutlicher zeigen und bearbeitet werden. Diese Art zu arbeiten ist eine gute Ergänzung zum psychotherapeutischen Familiengespräch.

 

 

 

Zu guter Letzt:

 

„Alles, was der Mensch den Tieren antut, kommt auf den Menschen zurück.“

(Pythagoras)

 

 

 

Es versteht sich von selbst, dass die Arbeit mit dem Pferd auch heißt,

 - dass es artgerecht leben darf

 - dass seine körperliche und seelische Gesundheit im Vordergrund steht

 - dass es respektvoll und liebevoll behandelt wird.

 

 

 

„Je hilfloser ein Lebewesen ist, desto größer ist sein Anrecht auf menschlichen Schutz vor menschlicher Grausamkeit.“

 (Mahatma Gandhi)